Folge #15.1 des Astronomie-Podcast | Weltall für die Ohren
Was man mit einem Amateur-Teleskop alles sehen kann (Teil 1)
In ersten Teil dieses Video-Podcasts wird geklärt, was Amateur-Teleskope alles zeigen. Welche Vorteile haben Amateur-Teleskope? Was zeigen Teleskope und was ist bei Amateur-Teleskopen zu beachten?
Was man mit einem Amateur-Teleskop alles sehen kann
Ein Glas Wein. Und dann noch ein Glas Wein. Und dann vielleicht noch eins … Tja ja, so sieht man natürlich auch irgendwann Sterne. Doch so ein paar Gläser Wein können ja angeblich noch viel mehr. Sie können mach einen so sehr hübsch machen, dass die Begierde wächst und wächst und wächst … Warum ich Ihnen das erzähle? Nun ja, weil’s mit dem Sterneschauen durchs Teleskop nämlich fast genauso ist. Hier steht der Wein für die Neugier, den Wissensdurst, das Magische, das Mystische und die Faszination fremder und zugleich unerreichbarer Welten, wo keine der anderen gleicht und Superlative auch wirklich Superlative sind. Und genau wie beim Wein, kann das Ganze mit der Zeit auch immer mehr süchtig machen.
Alles das erklärt, warum Astronomen im Winter klirrende Kälte in Kauf nehmen, im Sommer stechende Mücken und Spätes ins Bett kommen. Warum sie mit ausgefuchsten Tricks beschlagenen Optiken oder gar komplett eingefrorenen Teleskopen trotzen. Warum sie trotzdem stundenlang ihre Augen am Teleskop kleben haben, obwohl alle Sterne nur kleine Lichtpünktchen bleiben, sich nahezu alle anderen Himmelskörper nur in Grautönen statt in Farbe zeigen und die meisten davon auch noch superlichtschwach sind. Warum sie hinnehmen, dass es meistens nur sehr wenige kurze Momente gibt, in denen die Atmosphäre gerade mal so ruhig ist, dass es kein waberndes, sondern ein ausnahmsweise knackscharfes Bild zu sehen gibt. Und warum sie mit Begeisterung auch die Objekte immer wieder anstarren, die sie eh schon zig Mal gesehen haben und eigentlich schon auswendig kennen müssten.
Auswahl haben die Amateur-Astronomen fast so viel, wie es zugelassene Weinsorten auf der Welt gibt. Nämlich sicherlich um die 2000 Himmelsobjekte, die allesamt darauf warten, dass sie gesehen und genossen werden. Die werde ich Ihnen im zweiten Teil dieser Folge vorstellen. Unabhängig vom Durchmesser des Teleskops, der sich bei den Amateur-Astronomen so zwischen 10 und 80 cm bewegt, kommen zu diesen 2000 Objekten noch mehrere Millionen Sterne hinzu, die mit den Teleskopen am Nachthimmel sichtbar werden – wenn auch alle nur als Pünktchen.
Dann legen wir mal los: … Je mehr Wissen man über das jeweilige Objekt hat. Je mehr man um die physikalischen und chemischen Abläufe an und in dem Objekt weiß. Je mehr man die Zusammenhänge zu anderen Objekten und Objektklassen kennt. Je mehr man sich darüber im Klaren ist, dass man mit Amateur-Teleskopen noch Objekte sehen kann, die 30 Trilliarden Kilometer von uns entfernt sind. Je mehr einem bewusst ist, dass eine 12 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie sagenhafte 120 Trillionen Kilometer von uns weg ist, deren Sterne ihr Licht vor 12 Millionen Jahre auf die Reise schickten und uns somit auf der Netzhaut 12 Millionen Jahre altes Galaxien-Licht kitzelt. Je mehr man über die Wahrscheinlichkeit nachdenkt, dass in dieser Galaxie auf irgendeinem Planeten irgendeines Sonnensystems vielleicht gerade ein Astronom das Gleiche tut und unsere Galaxie aus der Ferne mit seinem Teleskop beobachtet. Je mehr man wertschätzt, dass Galileo Galilei sein letztes Hemd für ein Teleskop gegeben hätte, das wenigstens so gut gewesen wäre, wie es die heutigen Billig-Kaufhaus-Teleskope sind. Und je mehr man ganz grundsätzlich über das Universum und alle möglichen Zusammenhänge weiß, desto … tja desto mehr packt einen die Sucht, mit seinem Teleskop das Weltall zu erobern. Den großen Reiz macht aus, das alles mit eigenen Augen sehen und erleben zu können. Aber auch immer wieder aufs Neue entdecken und lernen zu können. Einzutauchen in diese fantastische und faszinierende Welt und dabei die Dimensionen halbwegs spüren zu können. Erst dann und nur dann sind selbst die kleinsten und lichtschwächsten Himmelsobjekte spektakulär.
Letztlich ist ein Teleskop wie ein Musikinstrument. Man kann es nicht kaufen, beherrscht und liebt es sofort. Man muss sich drauf einlassen, sich hineinfühlen, braucht Geduld und Zeit, muss sich mit kleinen Erfolgen Schritt für Schritt nach oben hangeln. Ein guter Musiker macht Musik und spielt nicht nur Noten. Und so ist es mit dem Astronomen und seinem Teleskop auch. So wie der eine Jazz mag und der andere Pop, wieder ein anderer Klassik und ein ganz anderer spielt alles und improvisiert dazu noch – so ist es auch bei den Astronomen. Jeder entwickelt seine Vorlieben und Leidenschaften. Für den einen sind’s Planeten und der Mond, die mit einem hochwertigen 15 cm Linsenteleskop maximal hoch vergrößert werden, um feinste Strukturen ausmachen zu können. Ein anderer hat ein 20 cm Spiegelteleskop und erfreut sich an Kugelsternhaufen. Und wieder ein anderer nimmt mit seinem 70 cm Spiegel-Teleskop in Kauf, dass er nur an wenigen Plätzen in guter Qualität beobachten kann. Dafür sieht er dann extrem weit entfernte Galaxien oder superschwache Galaktische Nebel, die sich atemberaubend strukturiert zeigen. Und ein ganz anderer schaut lieber beidäugig durch einen Feldstecher oder ein 12 cm Großfernglas auf einem stabilen Stativ und erfreut sich an plastisch wirkenden Sternhaufen und weiten Sternfeldern in der Milchstraße, aus denen zehntausende Sterne funkeln und blitzen.
Die Art des Teleskopes ist hauptsächlich nur Geschmackssache. Ausgeben kann man von einigen hundert bis zu vielen 1000 Euro. Ein hochwertiges Linsenteleskop mit 12 cm Öffnung kann teurer sein, als ein 40 cm Spiegelteleskop und umgekehrt. Den Preis macht eben nicht allein eine große Öffnung aus, sondern auch die Güte der optischen und mechanischen Elemente. Die einen schwören bei Planeten und Mond auf ein gutes bis sehr gutes Linsenteleskop, das möglichst farbfehlerfrei ist. Die anderen sind überzeugte Spiegel-Fans und schauen mit ihren 50 cm-Geräten so gut wie nur sehr lichtschwache Objekte. Und dann gibt es natürlich auch genug Sternenfreunde, die egal mit welchem Gerät alles schauen und dabei glücklich sind. Die einen aus der Stadt. Die anderen irgendwo von einem Berg aus. Oder sie hängen einen Fotoapparat hinten dran, belichten ein ausgewähltes Objekt ein paar Stunden lang, sammeln also Licht bzw. summieren es auf, und kreieren dann daraus mithilfe von Computer-Programmen umwerfend tolle Fotos, die den Aufnahmen des Hubble-Weltraum-Teleskops in nicht sehr viel nachstehen. Ach ja: apropos Farbe. Die ist tatsächlich im Weltall da. Unser Auge kann pro Zeiteinheit aber nur so viel Lichts sammeln, wie es der Größe der Pupillenöffnung an Fläche entspricht. Das reicht nicht für Farbensehen in der Nacht. Könnte wir jedoch auch minuten- oder stundenlang Licht sammeln, dann würde uns das aufsummierte Bild nach der abgelaufenen Zeit den Nachthimmel farbig zeigen. Und zwar überwiegend in rot.
Kommen wir zur Größe des Teleskops und zum Problem aufgehellter Nachthimmel. Je heller nämlich der Nachthimmel ist, desto weniger intensiv heben sich die Objekte vom Himmelshintergrund ab. Sterne und Planeten sind nur wenig betroffen, Galaxien und Sternleichen schon deutlich mehr und ganz extrem trifft es alle lichtschwachen großflächigen Nebel. Die können im Teleskop unter einem stark aufgehellten Stadthimmel sogar komplett unsichtbar werden. Da hilft dann auch irgendwann kein größeres, leistungsstärkeres Teleskop mehr. Denn je größer die Teleskop-Öffnung, desto mehr verstärkt man alle vorhandenen Störfaktoren. Und somit wird mit größeren Öffnungen nicht nur das Himmelsobjekt heller, sondern blöderweise auch der ohnehin schon aufgehellte Himmel um das Objekt herum. Heller als man den Himmel mit bloßem Auge sieht, wird er dabei aber nicht; egal wie groß das Teleskop ist. Pfeift man hingegen auf die großen lichtschwachen Nebel und konzentriert sich so gut wie nur auf die eher kleinen und hellen Objekte wie etwa Planeten, Mond, Doppelsterne oder auch Kugelsternhaufen, dann wird eine Beobachtung auch unter einem lichtverseuchten Stadthimmel möglich. Für diese Objekte lohnt trotz der Himmelshelligkeit dann sogar eine etwas größere Teleskop-Öffnung, um doch noch etwas mehr zu sehen und zu erkennen.
Umgekehrt dunkelt steigende Vergrößerung den Himmelshintergrund ab. Höhere Vergrößerungen erreicht man durch den Einsatz kurzbrennweitigerer Okulare. Diesen Verdunklungs-Effekt kann man gut nutzen, wenn man sich Sterne oder Sternhaufen ansieht. Weil Sterne wie Punktlichtquellen erscheinen, dunkelt sich bei höheren Vergrößerungen so gut wie nur der Himmelshintergrund ab. Somit wird der Kontrast erhöht und man sieht die Sterne viel deutlicher. Bei lichtschwachen flächigen Lichtquellen, wie z.B. Galaxien oder nebelige Sternleichen, gelingt das jedoch nicht. Denn hier dunkelt sich bei höherer Vergrößerung das Objekt im gleichen Maße ab, wie der Himmelshintergrund. Bei solchen Objekten erreicht man den nötigen Kontrast zum Himmelshintergrund nur durch die Flucht ins Dunkle. Denn ganz allgemein gilt: Nichts, aber auch nichts an einem Teleskop katapultiert die Menge an sichtbaren Objekten und winzigsten kontrastarmen Details so dermaßen in die Höhe, wie eine größere Öffnung unter gleichzeitig stockdunklem Himmel. Will man auch bei lichtschwachen Objekten maximal viel und detailreich sehen, muss man aus den lichtverseuchten Städten und Dörfern fliehen. Und je dunkler der Himmel, desto noch größer darf auch die Öffnung sein.
Aber Vorsicht: größere Öffnungen kosten nicht nur mehr Geld, sondern mit größeren Öffnungen verstärkt man wie schon gesagt auch immer mehr die vorhandenen Störungen. Ein heller Himmel wird noch heller und das Bildwabern, verursacht durch atmosphärische Turbulenzen, wird noch stärker. Deswegen fahren Astronomen, die 60-80 cm große Spiegel haben, zum Beobachten in die Wüste oder in die Alpen, wo diese Störfaktoren von Haus aus geringer sind. Auf einem 2000m hohen Berg muss man auch durch viel weniger Luft schauen, als auf 400m Höhe. Somit ist das Bild, das man vom Berg aus erwarten darf, definitiv besser. Bezogen auf die Bildstörungen gewinnt aber ein kleines Teleskop mit sagen wir mal 10-15 cm Öffnung. Denn das verstärkt die Störungen entsprechend weniger und kann folglich auch viel öfter im Jahr an seine Leistungsgrenze gehen, ohne dass man gleich auf Berge muss oder top Wetterbedingungen abwarten muss. Dafür sieht man mit dem kleineren Teleskop, bei gleich eingestellter Vergrößerung, weniger an Menge und weniger an Details.
Eine große Öffnung bei gleichzeitig stockdunklem Himmel ist also das A und O. Und doch ist es nicht alles alleine. Denn wie ich in der letzten Folge schon erklärt habe, schälen sich zwar aus den Himmelsobjekten bei der Nutzung größerer Teleskopöffnungen immer mehr Details heraus, so sieht man z.B. auf einmal eindeutig die Spiralarme einer Galaxie, oder sieht die dreifache Menge an Sternen in einem Offenen Sternhaufen. Dafür aber passen beide Objekte nicht mehr komplett ins Gesichtsfeld des Teleskops. Man muss die Galaxie oder den Sternhaufen mit dem Teleskop also abfahren, will man alle Bereiche des Objektes sehen. Nun gibt es aber Amateur-Astronomen, die schätzen genau diese großen Gesichtsfelder und wollen z.B. einen Kometen oder einen riesigen Galaktischen Nebel komplett in einem Bild sehen können. Das gelingt umso besser, je kürzer ein Teleskop bei gleicher Öffnungsgröße gebaut wird. Doch diese Kombination erfordert umso hochwertigere optische Komponenten und das treibt den Preis nach oben. Dafür gewinnt der Anblick eines Himmelsobjektes unglaublich intensiv an Bildästhetik, weil man so viel Weltall um das zu beobachtenden Objekt herum sehen kann. Dass diese großen Felder beliebt sind, zeigt die Tatsache, dass so gut wie jeder Astronom neben seinem Teleskop auch noch gerne einen Fernstecher benutzt. Ein 50 mm Glas mit z.B. 10-facher Vergrößerungsleistung sammelt gegenüber dem bloßen Gegenüber schon über 50-Mal mehr Licht. Die Zahl der sichtbaren Sterne steigt erheblich, weil man mit so einem Feldstecher Sterne sieht, die etwa 200 mal schwächer sind, als die, die man mit bloßem Auge an einem dunklen Himmel sieht. Gleichzeitig ist aber auch der damit sichtbare Himmelsausschnitt noch relativ groß. Diese Mischung macht einen Riesenspaß.
Auch wenn alle diese Zusammenhänge verwirrend und schwierig zu sein scheinen, so bleiben zusammenfassend ein paar wesentliche, aber dennoch einfache Kernaussagen: Letztlich hängt alles davon ab, für welche Himmelskörper das Herz schlägt, was man in welcher Intensität und in welchem Detailreichtum sehen will, wie hoch die Erwartungshaltung an die Bildqualität ist, wie der Himmel am Standort ist bzw. inwieweit man bereit ist, für dunkleren Himmel Auto zu fahren. Und natürlich, was man gewillt ist, für ein Teleskop auszugeben. Unabhängig von alle dem ist das beste Teleskop das, das man benutzt. Es nutz kein sündteures High-Tech-Teleskop mit 50 cm Spiegel was, wenn es aus Bequemlichkeit und weil der Himmel dafür sehr gut sein muss, nur im Eck herum steht. Und ein zu kleines, klapprig-scheppriges Billigteil für 200 Euro kann wiederum alles vermiesen und vermasseln. Kein Amateur-Teleskop kann alles gleich gut. Jedes hat seinen Himmel und man geht immer irgendwelche Kompromisse ein. Ob 10 cm Öffnung, oder 80 cm. Und auch wenn es keine eierlegende Wollmilchsau gibt, so hat jedes Teleskop das Potential, glücklich und süchtig zu machen. Je dunkler dabei der Standort, desto wahrscheinlicher die Sucht.
Ausgestattet mit diesem Wissen, sind Sie jetzt hoffentlich süchtig genug auf den zweiten Teil dieser Folge: Welche Objekte kann man mit einem Amateur-Teleskop am Sternen-Himmel alles sehen?