Folge #6.1 des Astronomie-Podcast | Weltall für die Ohren
Spektroskopie & das Lesen aus Sternenlicht
In diesem Video-Podcast wird geklärt, was Stern-Spektroskopie ist und wie ein Spektroskop funktioniert. Ebenso, wozu Astronomen das Licht der Sterne mit dem Spektrometer untersuchen und was sie aus den Messungen über die Himmelobjekte erfahren.
Spektroskopie & das Lesen aus Sternenlicht
Woher wissen die Astronomen denn das alles? … Woher wissen die, welche chemischen Elemente in einem Stern sind? Woher wissen die, wie alt ein Stern ist, welcher Druck in ihm herrscht, wie er rotiert? Woher wissen die, wie heiß ein Stern ist und was sonst noch alles in ihm vorgeht? Woher bitte wissen die das alles …?
Wir wissen es, weil uns die Sterne permanent Post zuschicken. Nämlich in Form von Licht. Das produzieren sie in ihrem Inneren durch Verschmelzung von Atomkernen und strahlen es dann an ihren Oberflächen in alle Richtungen ab. Ein Teil davon trifft dann irgendwann nach Jahren auch uns auf der Erde. Wir Menschen müssen diese Post nur aufsammeln, öffnen, lesen was geschrieben steht und interpretieren. Mehr ist es eigentlich nicht. Und doch hat dieser Vorgang, also das Lesen aus dem Licht der Sterne, das wir seit etwa 200 Jahren betreiben, die Physik, Chemie und Astronomie regelrecht revolutioniert und der modernen Astrophysik den Weg bereitet. Bis dahin gab es nämlich nur die sogenannte Astrometrie, also das Beobachten, Studieren, Analysieren und Interpretieren von Positionen und Bewegungen von Gestirnen. Den eigentlichen Stein des Anstoßes, dass man überhaupt aus dem sichtbaren Licht etwas ableiten kann, gab kein Geringerer als Sir Isaac Newton im Jahr 1660. Er war der erste, der zum Ergebnis kam, das sichtbares weißes Licht aus einzelnen Farben von Blau über Grün bis Rot zusammengesetzt ist, die man durch Zerlegung des Lichtes sichtbar machen kann. Er bewies, dass die Farben im Licht selbst enthalten und nicht die des Prismas sind. Durch seine Experimente mit Lichtspalt und Prisma konnte er dann auch problemlos erklären, wie ein Regenbogen zustande kommt.
Bis man aber dann wirklich in der Lage war, das durch ein Prisma oder Beugungsgitter zerlegte sichtbare Licht, das sich dann als Spektrum zeigt, zu analysieren und daraus etwas Brauchbares abzuleiten, dauerte noch eine ganze Weile. Einer der ersten, der mit einem Prisma das Licht der Sonne untersuchte, um die Temperatur der einzelnen Lichtfarben zu messen, war der Astronom Friedrich Wilhelm Herschel. Das war um 1800. Die Spektroskopie erfunden hat dann einige Jahre später der deutsche Optiker Joseph von Fraunhofer, der im Sonnenspektrum seltsame schwarze Linien fand. Ein gewisser William Henry Fox Talbot hat im Jahr 1826 erste Versuche zur Spektralanalyse unternommen. Den eigentlichen Durchbruch bei diesem Thema schafften aber dann in den Jahren 1858/59 die beiden Wissenschaftler Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Robert Kirchhoff. Bunsen war Chemiker. Kirchhoff Physiker. Sie entwickelten und bauten gemeinsam ein Spektroskop. Also ein optisches Gerät, mit dessen Hilfe sichtbares Licht in sein Spektrum zerlegt und dann visuell untersucht werden kann. Brachte man eine Salzprobe, die den zu untersuchenden Stoff enthält, in die Flamme eines Bunsenbrenners, so zeigte das Gerät einzelne Farblinien im Spektrum, die für jedes Element ganz charakteristisch sind. Mit dieser Anordnung konnte Bunsen beispielsweise die chemischen Elemente Wasserstoff, Indium und Thallium in entsprechenden Proben nachweisen. Eines Abends soll Bunsen mithilfe seines Spektroskops aus einiger Entfernung ein rotleuchtendes und ein grünleuchtendes bengalisches Feuer untersucht haben. Dabei konnte er am roten Ende des Spektrums die Linie von Strontium und am grünen Ende des Spektrums die Linie von Barium identifizieren. Zu Kirchhoff soll er dann begeistert gesagt haben, dass wenn man auf diese Entfernung zweifelsohne ausmachen kann, welche chemischen Stoffe für die Flammenfärbung verantwortlich sind, dann müsste das auch über noch viel weitere Strecken gehen.
Und genau so ist es auch. Die Information bleibt im Licht enthalten. Egal ob die zu untersuchende Quelle 1 Meter weit weg ist, oder 100 Trillionen Kilometer. Einzig die Intensität der Information wird mit der Entfernung immer schwächer und schwächer, so dass wir einfach nur entsprechend empfindlichere Detektoren und Messgeräte benötigen. Durch den unaufhaltsamen Forscherdrang und immer weitere technische Fortschritte wurden mit der Zeit immer bessere Geräte gebaut. Man konnte immer tiefer, umfangreicher und besser ins All schauen und damit explodierte das Wissen um unseren Kosmos regelrecht. Unter anderem entdeckte man mit der Zeit, dass es abseits des sichtbaren Lichtes noch einen riesigen Anteil gibt, der unsichtbar für unsere Augen ist, jedoch denselben grundlegenden Gesetzen des sichtbaren Lichtes gehorcht und ebenso Information bis zu uns auf die Erde transportiert. Herschel entdeckte bei seinen Temperaturmessungen der Farben des Sonnenlichtes, dass sich das Sonnenspektrum jenseits des roten, sichtbaren Anteils fortsetzt. Ebenso um etwa 1800 entdeckte der Physiker Johann Wilhelm Ritter die Ultraviolettstrahlung, die sich jenseits des blauen, sichtbaren Anteils des Lichtes fortsetzt. Kurzum: die Forscher hatten sich mit der Spektroskopie die weit entfernten Sterne quasi ins Labor geholt. Denn interessiert war man nicht am Licht selbst, sondern eben an all den Informationen über die Materie, die das Licht zu uns auf die Erde bringt.
Anfang des 20. Jahrhunderts folgten dann mithilfe dieser Analysetechnik viele weitere, teils fundamentale Erkenntnisse. So entdeckte der amerikanische Astronom Vesto Slipher („Sleifer“) mithilfe der Spektroskopie im Jahr 1912 die sogenannte Rotverschiebung im Lichtspektrum weit entfernter Galaxien, die von einer Entfernungszunahme zwischen den Galaxien herrührt. 1923 konnte Edwin Hubble mit Unterstützung der Spektroskopie nachweisen, dass sich die Andromeda-Galaxie sehr weit entfernt von unserer Galaxie befindet. Unter anderem wurde aus diesen Entdeckungen dann im Jahr 1927 die Expansion des Weltalls im Einklang mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie postuliert. Und zwar vom belgischen Astrophysiker Georges Lemaître, der als Vater der Urknalltheorie Berühmtheit erlangte.
Sie sehen also, welch Meilenstein die Spektroskopie für die Astrophysik, aber auch für die sich zu dieser Zeit gerade auftuende Quantenmechanik darstellt, die zu einer der wichtigsten Tragsäulen der modernen Physik geworden ist. In kaum einer anderen wissenschaftlichen Disziplin findet die Spektroskopie eine so breite und vielseitige Anwendung wie in der Astronomie. Anhand der Beobachtung und Analyse der Spektren verschiedenster Himmelskörper lassen sich unmittelbar Aussagen über deren Temperatur, deren chemische Zusammensetzung, deren Rotation und Magnetfeldern machen. Egal ob bei Sternen, Galaxien oder auch Planeten. Wie im Detail, werden wir noch sehen.
Entscheidend ist zunächst, dass eine fundamentale Sache dafür verantwortlich ist, dass wir aus Licht überhaupt irgendetwas lesen können. Nämlich seine Wechselwirkung mit Materie. Ich habe in Folge 5 von Abenteuer Sterne, bei der es um Grüne Sterne ging, ja schon einiges über die Natur des Lichtes, vor allem aber auch über die Wechselwirkung von Licht mit Materie gesagt. So z.B., dass uns ein rotes T-Shirt nur deshalb rot erscheint, weil die Materie, aus der das T-Shirt besteht, vom einfallenden weißen Licht mehr oder minder den gesamten blauen Anteil schluckt. Den roten Anteil des Lichtes streut die Materie des T-Shirts hingegen zurück in den Raum und so auch in unsere Augen. Dort absorbieren spezielle Zellen in der Netzhaut das Licht und senden ein elektrisches Signal an unser Hirn, dass dann interpretiert: ah, ein tolles rotes T-Shirt.
So wie das sichtbare Licht mit Materie auf völlig unterschiedliche Art und Weise wechselwirkt, so tut das im selben Maße natürlich auch das gesamte andere Licht des elektromagnetischen Spektrums. Zum Beispiel kommt zwar sichtbares Licht nicht durch eine geziegelte Wand. Doch deutlich langwelligeres Licht, z.B. Radiostrahlung, die für uns unsichtbar ist, eben schon. Denn ansonsten könnten wir in unserer Wohnung kein Radio hören oder mit unseren Mobiltelefonen telefonieren. Das ist auch der Grund, warum Astronomen mittlerweile das gesamte Spektrum des Lichtes untersuchen und analysieren, und nicht nur Teile davon.
Bezogen auf Sterne könnte man jetzt natürlich fragen, mit was das vom Stern abgestrahlte Licht denn auf dem Weg bis zu unseren Augen wechselwirkt. Ich sag es Ihnen: es ist die Oberfläche des Sterns. Denn erst dort wird ja das gesamte Licht abgestrahlt, das der Stern in seinem Kern erzeugt hat. Und diese Oberfläche des Sterns mitsamt seiner Atmosphäre besteht aus Gas und teils auch aus Staub. Also aus Materie. Und die wechselwirkt nun mit dem abgestrahlten Licht und dieses trägt dann die Information über die Zusammensetzung und die Art der Materie zu uns. In einem anderen Fall könnte sich zwischen dem Stern und uns eine riesige interstellare Staubwolke befinden. Das Licht wechselwirkt dann mit den Partikeln der Wolke und bringt uns mitsamt dem Licht die Informationen zur Erde.
Doch egal welcher Fall gerade vorliegt: Alle Informationen, die uns das Licht aus dem Weltall zur Erde trägt, beruhen immer auf mindestens eine der vier wesentlichen Wechselwirkungs-Arten. Materie kann Licht abstrahlen. Dazu sagt man auch emittieren. Materie kann Licht schlucken. Dazu sagt man auch absorbieren. Materie kann Licht durchlassen. Dazu sagt man transmittieren. Und Materie kann Licht abprallen lassen. Dazu sagt man dann entweder Reflexion, wenn das Licht in eine bestimmte Richtung reflektiert wird, oder aber Streuung, wenn das Licht in alle möglichen Richtungen vom Objekt zurückgeworfen wird. Bei unserem roten T-Shirt waren es zwei Wechselwirkungsarten. Der blaue Lichtanteil wurde geschluckt, der verbleibende rote Anteil prallte in Form von Streuung in dem Raum ab.
Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie hängen aber nicht nur von der Zusammensetzung der Materie ab, sondern auch von seinem Aggregatzustand. Und davon kann es gleichzeitig sogar mehrere geben. So z.B. beim Wassermolekül. Denn es kommt in unserem normalen Alltag in gleich drei unterschiedlichen Aggregatzuständen vor. Gasförmig, flüssig oder fest. Es sieht dabei jeweils nicht nur anders aus, sondern verhält sich auch jeweils völlig anders. Schuld daran ist die Stärke der Bindung zwischen den benachbarten Atomen und Molekülen. Und die ändert sich mit dem Druck oder der Temperatur.
Auf der Erde erreicht uns also eine riesige Vielfalt an verschiedenen Informationspaketen, die uns das Licht von den Himmelsobjekten liefert. Doch all diese Information nutzt uns nichts, wenn wir nicht eine Art Datenbank haben, in der zumindest schon mal alle uns bekannten chemischen Elemente mitsamt ihrem jeweiligen spektralen Fingerabdruck hinterlegt sind. Und genau die haben wir. Im letzten Jahrhundert wurden nämlich durch Laborexperimente mithilfe von Spektroskopen genau diese spektralen Fingerabdrücke jedes chemischen Elements ermittelt. Das ist unsere irdische Referenz. Wenn wir nun mit Spektroskopen das Licht eines Sterns betrachten, gleichen wird den gewonnenen spektralen Fingerabdruck mit unserer irdischen Datenbank ab und zack: wissen wir relativ gut, woraus die gasförmige Hülle eines Sterns besteht. Die einzelnen Atome zu unterscheiden funktioniert unglaublich gut. Denn alle 91 uns bisher bekannten natürlich vorkommenden Atome, die wir ja im sogenannten Periodensystem der Elemente zusammengefasst haben, hat einen eigenen, von allen anderen gut unterscheidbaren spektralen Fingerabdruck. Da aber nicht nur einzelne Atome in der Natur vorkommen, sondern vor allem Moleküle, also Zusammenschlüsse von Atomen, oder auch Ionen, das sind angeregte Atome, denen Elektronen in ihrer Atomhülle fehlen, haben die Wissenschaftler die Datenbank auch um viele dieser beiden Kandidaten erweitert. Wir können mittlerweile also exzellent aus dem Licht der Sterne lesen und uns ein gutes Bild über die chemische Zusammensetzung, die Temperatur oder vorhandene Magnetfelder von Himmelsobjekten machen. Und das, obwohl sie fast alle unerreichbar weit von uns entfernt sind.
Zwei Dinge habe ich Ihnen bisher noch vorenthalten: Erstens, wie die Information über die Materie überhaupt ins Licht kommt. Und zweitens: wie genau diese Informationen, die ja quasi spektrale Fingerabdrücke der Materie sind, im Licht aussehen. In jedem Fall ist das Ganze eine spannende und ziemlich bunte Sache. Wie toll und bunt, erzähle ich Ihnen im zweiten Teil dieser Folge …