#17 | Interferometrie: Wenn sich Riesen-Teleskope zusammentun

Folge #17 des Astronomie-Podcast | Weltall für die Ohren

Interferometrie: Wenn sich Riesen-Teleskope zusammentun

In diesem Video-Podcast wird geklärt, was die Interferometrie ist. Riesen-Teleskope werden interferometrisch zusammengeschaltet, Lichtwellen überlagern sich und Astronomen erhalten hoch aufgelöste Bilder und hohes Detailreichtum durch diese Technik.

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Interferometrie: Wenn sich Riesen-Teleskope zusammentun

Die Fahnen auf dem Mond, die die Astronauten im Rahmen mehrerer Apollo-Missionen dort oben hinterlassen haben, bleiben selbst mit den größten Teleskopen dieser Welt unsichtbar. Das ist das Ergebnis aus der letzten Folge von Abenteuer Sterne. Denn es bräuchte um die 240 bis 250 Meter große Spiegeldurchmesser, um die etwa 1 m großen Fahnen auf dem Mond erkennen zu können. Solche riesigen Spiegel zu bauen, ist derzeit nicht möglich bzw. ist fraglich, ob man das je kann. Mit dem Extremly Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile steht immerhin ein knapp 40 Meter großer Spiegel zur Verfügung. Mit diesem Monstrum wird möglich sein, dass man auf dem Mond immerhin noch Dinge erkennen, die knapp unter 10 m groß sind.

Mithilfe der sogenannten Interferometrie, die ich Ihnen in dieser Folge vorstelle, kommt man ziemlich knapp heran an die 1m große Fahne auf dem Mond. Der Teleskop-Verbund, mit dem das gelingt, kann nämlich auf dem Mond noch Objekte erkennen, die etwa 1,6 m groß sind. Würde auf dem Mond ein Auto stehen, könnten die Astronomen den Besitzer informieren, falls der an seinem Wagen das Licht vergessen hat auszuschalten. Denn der Abstand von zwei Fahrzeugscheinwerfern beträgt ungefähr 1,6 m. 384.000 km entfernt, so weit ist ja der Mond durchschnittlich von der Erde weg, erscheinen die beiden Scheinwerfer unter einem Sehwinkel von 0,0009 Bogensekunden, also etwa einer Tausendstel Bogensekunde.

Das Verblüffende an diese Sache ist, dass dieser Teleskopverbund aus nur vier Teleskopen besteht, die alle nur einen 1,8 m großen Spiegel haben. Wenn Sie die letzten Folgen von Abenteuer Sterne gehört haben, werden Sie jetzt vermutlich sagen: „ …Ja, wie jetzt?“ Wie kann ein verhältnismäßig kleiner Spiegel von nur 1,8 m Durchmesser knapp die US-Flagge auf dem Mond sehen, wenn z.B. das Hubble-Teleskop mit seinem 2,4 m großen Spiegel nur etwa 100m große Objekte auf dem Mond sehen kann? …

Die Antwort auf diese Frage lautet kurz und knapp: Durch Teamwork! Genau das ist nämlich die Interferometrie. Mehrere kleine Teleskope arbeiten in einem Verbund zusammen und ergeben in Summe ein einzelnes Riesen-Teleskop, das dann durch Ausnutzung der Wellennatur des Lichtes Bilder aus Interferenzmustern erzeugt.

Was bewirkt so ein Zusammenschluss? In jedem Fall erhöht sich schon Mal die lichtsammelnde Leistung. Das ist genau wie bei einem Fernglas, das ja für jedes Auge ein separates Fernrohr bietet. Durch diese Kopplung wird ein etwa 1,4 Mal so großes Einzel-Fernrohr simuliert. Ein Fernglas mit z.B. 5 cm großen Linsen sammelt so viel Licht, wie ein 7 cm großes Einzel-Fernrohr. Das ist ein ganz ordentlicher Gewinn an Leistung. ABER: um diesen Zugewinn geht es den Astronomen eigentlich gar nicht so sehr. Sie wollen mithilfe der Interferometrie nämlich hauptsächlich eines: das Auflösungsvermögen drastisch steigern, um noch viel mehr und besser Details aus dem Licht der Himmelsobjekte erkennen zu können. Und das gelingt umso mehr, je weiter man die Einzelteleskope auseinanderstellt. In unserem Fall können die vier 1,8m großen Spiegelteleskope so weit auseinander geschoben werden, dass die größte Entfernung zwischen ihnen 200m beträgt. Macht man das, hat man ein 200 m großes Spiegelteleskop simuliert. Das Auflösungsvermögen dieses 200m Teleskopes kann man mit der Formel aus der letzten Folge berechnen. Nämlich: 0,138 Bogensekunden geteilt durch 200 m Spiegelgröße, ist gleich: 0,0007 Bogensekunden. Das ist enorm. So enorm, dass man damit, wie einleitend schon gesagt, die hellen Scheinwerfer eines Autos auf dem Mond gerade noch getrennt sehen würde. Und das mit nur vier kleinen, jeweils 1,8m großen Spiegelteleskopen. Das find ich ein sehr faszinierende Sache! … Ach ja: Dieser Teleskop-Verbund gehört übrigens zum sogenannten Very Large Telescope, kurz VLT, der Europäischen Südsternwarte in Chile. Das alles hört sich irgendwie furchtbar leicht an. Derweil ist das Ganze eine hochkomplexe Sache, die enorme Anforderungen an die Technik und das Material stellt. Gerade im sichtbaren Licht. Warum das so ist, schauen wir uns gleich an.

Ihren Ursprung hat die Interferometrie etwa in den 1950er Jahren. Das große Sorgenkind war damals das Radioteleskop. Denn beobachtet man Objekte im All, die Radiostrahlung aussenden, also z.B. ferne Galaxien und Galaxienkerne, entstehende Planetensysteme oder kühle interstellare Gaswolken, so hat man es mit relativ langwelligem Licht zu tun. Die Wellenlängen liegen hier im Bereich von etwa mm bis m. Diese großen Wellenlängen haben zur Folge, dass die Parabolspiegel-Durchmesser sehr groß werden müssen, will man ein wenigstens einigermaßen vernünftiges Auflösungsvermögen erzielen. Zum Vergleich: ein Radioteleskop müsste eine viele kilometergroße Schüssel haben, um mit dem Auflösungsvermögen der VLT mithalten zu können. Solche Riesenteleskope zu bauen war aber unmöglich. Derzeit ist bei 500m Schluss. Die Lösung war und ist die Interferometrie. Und hier hat sich gerade in den letzten Jahrzehnten wirklich Gewaltiges getan. 2013 ging z.B. in der Atacama-Wüste im Norden Chiles ein gigantisches Projekt mit dem Namen ALMA in Betrieb. Es handelt sich dabei um einen Verbund aus 66 einzelnen Radioteleskopen, die 7 m bzw. überwiegend 12 Meter Durchmesser haben und in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Mit einem Spezialtransporter können die Abstände zueinander variiert werden. Der größte erreichbare Abstand zwischen diesen Radioteleskopen beträgt 16 Kilometer. Damit werden Auflösungsvermögen im Bereich hundertstel Bogensekunden erreicht. Für ein Radioteleskop enorm. Verglichen mit den optischen Teleskopen wiederum mager. Doch das ist ja ausbaufähig. Denn theoretisch könnte man ja die maximal mögliche Entfernung zwischen Radio-Teleskopen nutzen: nämlich den Erddurchmesser. Damit ist dann schon ein Auflösungsvermögen im Bereich von Tausendstel Bogensekunden erreichbar. Oder man baut einen solchen Radioteleskop-Verbund mithilfe von Satelliten auf und befördert das Ganze ins All, wo ja noch viel größere Teleskopabstände möglich sind. Das wird übrigens auch die Zukunft der Radioastronomie sein …

Doch zurück zur bodengebundenen Interferometrie. Der Vorteil vieler zusammengeschalteter Einzelteleskope ist, dass dadurch wesentlich mehr Informationen über das Himmelsobjekt gesammelt werden können. Das Ganze Bild setzt sich mosaikartig immer detailreicher und schärfer zusammen, umso mehr Teleskope im Verbund verschaltet sind. Funktionieren tut so ein aber Verbund nur, wenn jedes Einzelteleskop dasselbe Himmelsobjekt betrachtet und anschließend das Licht jedes einzelnen Teleskops korrekt und vor allem exakt zusammengeschaltet wird. Und genau da liegt die Herausforderung der Interferometrie. Denn durch die Tatsache, dass die Teleskope ja nicht alle auf einem Haufen stehen, sondern hunderte Meter oder gar Kilometer verteilt in der Gegend herum stehen, trifft das Licht nicht zum exakt selben Zeitpunkt bei allen Teleskopen ein. Denn wegen winziger Entfernungs-Unterschiede trifft das Licht des Himmelsobjektes das eine Teleskop einen winzigen Moment früher, und das andere einen winzigen Moment später. Besteht der Verbund z.B. aus 4 Einzelteleskopen, trifft das Licht zu 4 geringfügig unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Die Kunst ist es nun, diese Laufzeitunterschiede des Lichtes irgendwie auszubügeln, bevor die Signale aller Teleskope zusammengeführt werden. Im Falle von Radioteleskopen erledigen dieses Ausbügeln leistungsstarke Computer. Das hat man schon längere Zeit recht gut im Griff. So ist es z.B. Dank des Internets auch kein Problem, wenn die einzelnen Teleskope auf jeweils unterschiedlichen Kontinenten stehen.

Ganz anders verhält es sich, wenn es um sichtbares Licht oder auch um Infrarotlicht geht, dass von Spiegelteleskopen empfangen werden soll. Denn die Wellenlängen des Lichtes sind hier viele hunderttausend-fach kürzer. Deshalb sind dann selbst Supercomputer nicht mehr in der Lage, die Laufzeitunterschiede des ankommenden Lichtes bei der Signalzusammenführung auszugleichen. Gelöst wurde das Problem mit unterirdischen Spiegelsystemen. Entsprechend der Anzahl der verkoppelten Teleskope gibt es in Tunneln jeweils immer einen Laufwagen, auf dem ein kleiner Spiegel montiert ist. Der Laufwagen kann beliebig auf der Strecke zwischen zwei Teleskopen verschoben werden und so erreicht man dann die gewünschten Laufzeitanpassungen des Lichtes. Diese Technik ist so ungeheuerlich präzise, dass einem schwindlig wird. Die Interferometrie-Anlage des des Very Large Telescope in Chile schafft es, alle ankommenden Lichtstrahlen aus den Einzelteleskopen bis auf 1/1000 Millimeter korrekt zusammenzuführen. Eine Meisterleistung!

Wie sehen nun die Bilder aus, die man mit solchen Interferometern erhält und warum ist es so wichtig, dass sich die Lichtwellen exakt überlagern? Wie der Name schon verrät, werden Interferenzmuster erzeugt. Diese entstehen immer dann, wenn sich Wellen, also z.B. auch Lichtwellen, überlagern. Wirft man ein Steinchen in ein ruhiges Wasser, so breiten sich auf der Wasseroberfläche um die Eintauchstelle des Steinchens herum kleine Wellen kreisförmig aus. Wirft man zeitgleich zwei Steinchen ins Wasser, dann gibt es zwischen den Eintauchstellen einen Bereich, wo die Wasserwellen der beiden Steinchen aufeinandertreffen. Es kommt zu Wellenüberlagerungen bzw. bilden sich dort sogenannte Interferenzmuster aus. Treffen an einer Stelle genau zwei Wellenberge oder Wellentäler zusammen, verdoppelt sich die Wellenhöhe. Trifft hingegen ein Wellenberg exakt auf ein Wellental, dann löscht es die Welle aus. Sicherlich haben Sie das auf einer Wasseroberfläche schon mal beobachtet. Und genau solche Interferenzmuster sehen auch die Astronomen in ihren zusammengeschalteten Teleskopen. Nur sind’s bei denen halt überlagerte Lichtwellen, die diese Interferenzmuster erzeugen. Bringt man jetzt in diesen Anlagen die Lichtwellen korrekt zur Deckung, dann verstärken sich die Signale. Und nur so bekommen die Astronomen überhaupt brauchbare Bilder. Und die sind eben umso besser, sprich kontrastreicher und intensiver, je exakter die Lichtlauf-Unterschiede angepasst werden. In den Anfängen der Interferometrie waren die Bilder vergleichbar mit streifenförmigen Hell-/Dunkelmustern. Doch dank modernster Computertechnik ist es mittlerweile so, dass diesen Mustern ein bildhaftes Gesicht gegeben werden kann, das schon fast wie ein Foto aussieht. Und zwar mit einem Detailreichtum, als wäre es mit einem Spiegel eingefangen worden, der einige hundert Meter oder gar einige Kilometer groß ist. Damit erhalten wir nie dagewesene Einblicke ins All. Egal ob im visuellen Bereich des Lichtspektrums, im infraroten oder im Bereich der Radiostrahlung. Und selbst bis hinein in den Röntgenstrahlungsbereich wird die Interferometrie bereits erprobt.

Hochinteressant ist noch eine spezielle Weiterentwicklung der Interferometrie, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber unglaubliches Potential gerade im Bereich der Erforschung sogenannter Exoplaneten hat, also von Planeten, die um andere Sterne kreisen außerhalb unseres Sonnensystems …. Nämlich die sogenannte Nulling-Interferometrie. Bei der normalen Interferometrie ist ja das Ziel, die Lichtwellen eines Objektes, das man beobachtet, so zu überlagern, dass sich das Signal bestmöglich verstärkt. Die Nulling-Interferometrie macht genau das Gegenteil. Sie fragen sich, was das für einen Sinn macht, wenn sich die eintreffenden Lichtwellen eines Sterns so überlagern, dass es zur kompletten Auslöschung kommt und man den Stern gar nicht mehr sehen kann? … Oh ja, das macht Sinn! Nämlich genau dann, wenn man in der unmittelbaren Nähe eines helleren Sterns ein sehr sehr lichtschwaches Objekt beobachten möchte. Denn wenn der helle Stern ausgeblendet ist, sieht man so manchen winzigen Planeten oder eine schwache Staubscheibe überhaupt erst. Bzw. wird das Bild viel kontrastreicher. Das mit dem Ausblenden funktioniert deswegen, weil beide Himmelsobjekte ja eine geringfügig abweichende Position am Himmel haben und somit die jeweiligen Lichtwellen geringfügig zueinander verschoben sind, wenn sie bei den Teleskopen angekommen sind. So kann man das Sternenlicht dann gezielt eliminieren, also Ausnullen. Darum heißt’s auch Nulling-Interferometrie.

Doch ob nun Signale verstärken oder gezielt ausnullen: Null und Nichtig ist die ganze Sache mit der Interferometrie auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil: Zusammen mit der adaptiven und aktiven Optik, die allerlei Bildstörungen wegzaubern, dazu erzählte ich ja in den Folgen 12 und 13 sehr ausführlich, ist die Interferometrie ein unglaublich tolles Vehikel, um das Weltall noch genauer und intensiver untersuchen und studieren zu können. Wir bekommen Bilder und Informationen, in nie dagewesenem Detailreichtum. Diese drei Techniken haben uns das Weltall ein faszinierendes Stück weiter vor unsere Haustüre geholt …

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